Radfahren

Feldenkrais auf dem Fahrrad: eine runde Sache

Beim Fahrrad fahren befinden wir uns in einer anderen Situation als beim Sitzen auf einem Stuhl. Wir führen durch das Radeln eine lang eingeübte Tätigkeit aus, denn wir produzieren bei dieser Tätigkeit kontinuierlich gleiche und ähnliche Bewegungsabläufe. Hierbei sind wir aber auch in einer ganz besonderen Art mit unseren Gleichgewichts- und Umweltsinnen beschäftigt. Die sitzende Haltung erleichtert Bewegungen. Durch die Fixierung des Körpers zwischen Lenker, Sattel und Pedalen werden die Bewegungen klein ausgeführt. Größere und kleinere Schlenker, die entstehen, haben – bewusst wahrgenommen –  eine integrierende Wirkung auf das Nervensystem. Eine weitere positive Auswirkung ist, dass spontan gesetzte Pausen entstehen. Sie sind Folge des plötzlichen Wechsels von Situationen. Darüber hinaus wird das Radeln in dieser Weise spielerisch ausgeführt.

Die oft infolge von viel Kraftaufwand und Mangel an fein abgestimmten Koordinationsver-mögen entstehenden Schäden – u.a. Beschwerden der Hals- und Lendenwirbelsäule, Druck-schmerzen in Händen und Knien, Durchblutungsstörungen, Muskelverhärtungen und Taubheitsgefühle in Beinen und Füßen – können durch spezielle Lektionen gebessert oder ganz vermieden werden. Ebenso hilft eine feinere Wahrnehmung für die Gesamtorgani-sation und Geschwindigkeit die Zahl der Stürze zu reduzieren, die zu gravierenden Verletzungen führen (z.B. Schultergelenkbrüche, Schädel- und Hirntraumata sowie Frakturen der Handgelenke).

Hier eine gekürzte Lektion während langsamer Fahrt:

Drehen Sie sich mehrere Male nach rechts und beobachten Sie, wie Sie dies machen. Wie sitzen Sie auf dem Sattel? Wie ist Ihre Haltung? Welchen Abstand hat Ihr Rumpf (Brustbein, Rippen, Bachnabel etc.) zum Lenker? In welcher Position befinden sich während des Fahrens Beine, Knie, Ober- und Unterschenkel? Die Füße auf den Pedalen? Wie halten Sie Ihren Lenker? Nehmen Sie die Daumen zu den übrigen Fingern. Spreizen Sie sie nur ab, wenn Sie bremsen, klingeln oder Ihre Gangschaltung bedienen. Beide Hände umfassen den Lenker weich. Ihr Gesicht zeigt geradeaus.

Bringen Sie die rechte Schulter nach vorne und zurück in die Ausgangsposition. Machen Sie diese Bewegung dann nach hinten. Verbinden Sie danach beide Richtungen miteinander. Fallen die Bewegungen leichter, wenn Sie Ihre Ellenbogen gebeugt oder gestreckt halten? Bewegen Sie Ihre rechte Schulter nach vorne und drehen Sie Ihren Kopf nach rechts. Bewegen Sie anschließend Kopf, Schulter und Ihren Rumpf nach rechts bzw. rückwärts. Nehmen Ihre Augen die Umgebung fließend wahr?

Legen Sie Ihren rechten Handrücken auf Ihren rechten Oberschenkel. Beobachten Sie, wie Ihre – Radelbewegung die ruhende Hand transportiert. Bewegt sich Ihr Schulterblatt parallel zur Wirbelsäule nach oben und unten? Langsam dreht sich Ihre Hand und Sie streicheln Ihren Oberschenkel und Ihr Knie. Gleiten Sie allmählich in Richtung Unterschenkel. Kommen Sie auch bis zu Ihrem Fuß? Beugt sich Ihre rechte Seite? Wird Ihr Rücken länger? Wie steht es mit Ihrem Gleichgewicht? Lassen Sie Ihren linken Oberschenkel ein wenig aus der Hüfte heraus nach vorne driften. Spüren Sie, wie er sich bewegt? Geht die rechte Beckenhälfte dabei rückwärts? Drehen Sie sich so zur rechten Seite bzw. nach hinten. Macht Ihre Wirbel-säule diese Drehung mit? Sehen Sie Ihr Rücklicht, Ihren Gepäckträger, die Landschaft oder die Person, die hinter Ihnen fährt? Umfassen Sie Ihren Lenker weich?  Drehen Sie sich abrupt oder gleitend? Wie groß sind die Schlenker, die Sie machen?

Wenden Sie sich wieder zur Seite wie zu Beginn der Lektion. Fällt Ihnen die Drehung jetzt leichter, geht sie weiter, ist sie geschmeidiger geworden? Schauen Sie sich die Umgebung an. Vergleichen Sie später die andere Seite, ob diese Ihnen sogar leichter fällt.

Die Arbeit mit der Feldenkrais-Methode beim Rad fahren erweitert nicht nur den Horizont, sie beeinflusst auch positiv das Koordinationsvermögen, vermindert den Kraftaufwand und erhöht damit die Ausdauer.

copyright: © Ulrike Fruhtrunk-Dehn 2020